Gewaltfreie Kommunikation

GFK und Freiheit

Endlich mal die Matschpfütze überspringen!

Das Ideal der GFK ist, dass alle freiwillig und eigenverantwortlich miteinander umgehen sollen. In Kooperation und Wertschätzung. Alle sollen sich frei für oder gegen etwas entscheiden können. Niemand soll aus Dominanz oder Unterwerfung heraus handeln, sich also gezwungenermaßen in Verbindungen verhalten. Ich glaube, die meisten denken, sie seien frei in ihren Entscheidungen im Leben. Aber oft erkennen wir dann, dass wir immer gleiche Dinge falsch machen, in immergleiche Situationen geraten, oder immer die gleichen Menschentypen anziehen. Also irgend etwas stimmt doch da mit unserer individuellen Freiheit nicht. Einerseits sind wir alle auf bestimmte Art und Weise programmiert und unsere individuellen Chemiecocktails im Hirn bestimmen, wie wir fühlen, denken, handeln und andererseits wissen wir, dass Änderungen unserer Reaktionsmuster möglich sind.

Wir bewegen uns also auf einer Freiheits-Skala, die in verschiedenen Situationen höher oder niedriger ausschlägt.

Wie wäre es also, auch in Bezug auf unsere Gefühls- und Denkmuster Optionen entwickeln zu können, die uns ermöglichen, zu wählen und somit freier zu werden? Um das zu schaffen, müssen wir uns zunächst gut kennenlernen, uns beobachten. Wir müssen erkennen, wo die Fremdsteuerung wie einsetzt. Wenn wir uns oft genug mit der eigenen Nase auf unsere automatischen Abbiegungen stoßen, können wir zunächst wacklig und stolpernd, dann immer selbstverständlicher neue Wege einschlagen, statt in die immerselbe Matschpfütze zu treten. Das klingt jetzt zunächst einfacher als es ist. Die Trampelpfade im Hirn sind tief eingegraben, wie in Schnee versinken wir immer wieder darin und rutschen aus, fallen hin und schlittern den Hang hinab in alte Gefilde.

Das kostet Energie und ist für viele kein erstrebenswerter Prozess. Sich ständig beobachten? Ja wo bleibt denn da die Spontanität? Die Impulsivität? Das Leben im Jetzt? Auch die Prämisse, dass Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, zur inneren Freiheit führt, klingt nicht für jede schlüssig. Ist es nicht auch eine Form von Freiheit, NICHTS entscheiden zu müssen? Keine Verantwortung tragen zu müssen und alles dem/r Anderen zu überlassen? 

Beides stimmt natürlich. Aber, wenn ich Leidensdruck habe und etwas ändern möchte, wenn ich auf Reaktionsmuster in mir stoße, die mich immer wieder in die gleiche beschissene Situation bringen, dann ist es doch eine Erleichterung zu wissen, dass ich nicht in mir gefangen bin, sondern mein plastisches Hirn Neuverknüpfungen zulässt. Am Ende stehen uns auch nicht unendlich viele Möglichkeiten zur Verfügung, unsere Auswahl an neuen Wegen sind begrenzt in dem Maße, wie unser Charakter es zulässt. Es geht sowieso nur langsam und mit viel Ausdauer. Manchmal treten wir auf der Stelle oder gehen aus Angst rückwärts, aber wir kommen am Ende dennoch voran.

So befreien wir uns also Stück für Stück von unserem Kokon, den uns unsere Eltern, die Gesellschaft und unsere Erfahrungen gebaut haben. Selbst wenn wir nur ein Loch hineinpicken, sehen wir, dass dahinter eine Welt existiert, eine mit etwas weniger Schmerz. Die lohnt es sich, zu erkunden.